Fusion 2008 – Mit Tolcha und 02Ls Special Player die Seele auftanken

Elektronisch-musikalisch dominierte Festivals sind eine ganz besondere Sache. Während die meisten sich musikgeschmacklich ähnlich des berühmten Gigs der Blues Brothers im gleichnamigen Filmklassiker sehr offen zeigen („Wir spielen Goa und Trance!“), bietet die Fusion traditionell, und der Name verrät es schon, ein sehr breites Spektrum nicht ausschließlich elektronisch erzeugter repetetiver Klangformationen sowie ihrer Protagonisten und Anhänger.Nun geht man aber auf ein Festival nicht nur wegen der Musik, die kann man unterm Jahr auch in den lokalen Clubs hören, sondern mit dem temporären Soziotop „Festival“ verbinden sich darüberhinaus ganz andere Konnontationen, die die rührigen Betreiber des Spektakels auf dem Flugplatz Lärz an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommen), der Kulturkosmos Müritz e.V., mit ihrer Tagline von der Fusion als einer „Tankstelle für die Seele“ bezeichnen.Ich vermute allerdings, dass hier weit basalere soziobiologische Tiefenstrukturen unserer menschlichen Existenz angesprochen und trainiert werden: nämlich die Adaptabilität an eine temporäre Dezivilisierung im Bereich der humansanitärer Rundumver- und absorgung in Verbindung mit hoher Mobilität und sozialer Disziplin. Für einige Tage entsteht eine großes Beieinandersein unter recht widrigen Bedingungen, das in punkto Effektivität und Agilität jedem Flüchtlingslager der Vereinten Nationen die Leviten liest. Einzig die langen Schlangen am Wagenburger zeugen noch von einer Restpanik an Nahrungsmittelunterversorgungsängsten. Das evolutionäre Fitnessprogramm, das hier abläuft, sichert wohl, dass ein hinreichend großer Teil der Bevölkerung im eventuellen Katastrophenfall mit den damit zu befürchtenden drastischen Einschränkungen zu Überleben weiß. Ein Training, welches früher die Wandervögel, Pfadfinder, Hitlerjugend, Jungpioniere und die Bundeswehr/NVA sowie andere Zeltlager diverser ziviligesellschaftlicher Organisationen zu leisten im Stande waren; nur nicht mit dem ungeheuren Skalierungsfaktor, den die Fusion mit ihren (von mir geschätzten) ca. 35.000 Teilnehmern vorzuweisen hat.Allerdings hat dieses evolutionsbiologische Fitnessprogramm auch seine stressbedingten Nachteile. Denn wenn man glauben könnte, dass eine solch große Menge junger, in der Blüte ihrer Geschlechtsreife stehender Menschen speziellere erotische Vibes erzeugen würde – also das, was man ja an Hochzeiten, Beerdigungen und Firmenjubiläen so zu schätzen weiß, dann kann man sich das hier total abschminken. Während die Jungs eher kumpelmäßig drauf sind und mit ihrem Campingexpertentum bei Zeltauf- und abbau sowie der Größe ihres Wohnmobils zu protzen wissen, scheinen den weiblichen Besuchern aufgrund der Dringlichkeit der sanitären Situation die sexuelle Inspiration abhanden zu kommen. Dazu kommen die merkwürdigen „Ich-umarm-die ganze-Welt“-Drogenkultur der chemisch unterstützten Stimmungsmacher sowie die Tatsache, dass für schon persistente Paarverbindungen eine Fusion sowieso schon eine gewisse Belastungsprobe darstellt.Tja, diese Trübung des Vergnügens scheint aber nur mir aufzufallen und damit auch auf mich zurückzufallen, aber ich wollte es wenigstens einmal ausgesprochen haben. Zum Glück aber – und für mich der auschlaggebende Grund zur Fusion 2008 zu fahren, denn die frustrierenden Flirtbedingungen kannte ich ja schon von früheren Festivalbesuchen – spielten eben auch Samstagnacht unsere Lieblingsband Tolcha im halbautonomen Bachstelzen-Grund mit unserem c-base Member rasda als Key Wizard an den elektronischen Klangerzeugern, der dabei eine eindrucksvolle Bühnenpräsenz zeigte. Wundervoll! Allerdings frage ich mich, ob die vielen eingesampelten Vocals sein müssen, die mir das ganze Projekt zu sehr in das Pop- und Rockuniversum führen, was ja okay wäre, wenn die entsprechenden Gesangseinlagen auch live performt würden. Ich mag Tolcha gerade auch crisp und instrumental. Allerdings stimmte hier die Publikumsmischung unter den Bachstelzen, wenig Verstrahlte dafür umso mehr strahlende Gesichter!Im Anschluss ging es dann noch zum Auftritt unserer diesjährigen transmediale-Künstler von 02L, die ihren Special Player im großen Luftschloss-Zelt zu mir persönlich zu hart bretternden Brandenburg Allstars-Klängen mitsamt ihren Tänzerinnen im antiken Olympiahetären-Outfit präsentierten. Beim nächsten Mal hätte ich die Special Player-Leinwand mehr im Bühnenvordergrund gesehen, so ging die Wirkung im Tempodrom-großen Zirkuszelt etwas verloren. Inzwischen wurde es auch hell und vom Trancefloor am Waldesrand – man glaubt es kaum – schallte es höchst abwechslungreich herüber: Goa und Trance.


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Kommentare

2 Antworten zu „Fusion 2008 – Mit Tolcha und 02Ls Special Player die Seele auftanken“

  1. Avatar von rasda

    hier mal ein 20sekünder vom auftritt: http://www.youtube.com/watch?v=eGQpBU58Q-4
    achtung krasser sound

  2. Avatar von housetier

    der sound in dem video ist aber scheiße, rasda!

    die stimmung scheint gut gewesen zu sein 🙂